An der Börse heißt es bekanntlich, dass man Aktien kaufen soll, wenn alle Angst haben und pessimistisch sind und verkaufen, wenn alle vor Euphorie nur so jubeln.
Pessimismus, Sorgen und Ängste umschweifen uns reichlich und die politischen Aussichten führen auch nicht unbedingt zu einer Besserung des Gefühlszustandes. Insbesondere die geopolitischen Unruhen und Kriege sowie die massiv gestiegene Inflation, die wir täglich in unserem Portemonnaie spüren, zehren am meisten. Und dennoch scheint es zumindest bei vielen Investoren ausgemachte Sache zu sein, dass der Aufschwung kommt und erste Zinssenkungen sehr wahrscheinlich Mitte dieses Jahres folgen (das beflügelt die Aktienmärkte global schon seit Ende letzten Jahres). Hinzu kommen teilweise hervorragende Ergebnisse (vor allem von Unternehmen in den USA, aber auch von europäischen Banken, die unter anderem gut von den Zinseinlagen leben konnten). In den USA überraschte die Höhe des Wirtschaftswachstums im letzten Jahr mit 2,5% deutlich positiv. In Europa hingegen war von Wachstum keine Rede (Durchschnitt 0%) und von Deutschland mit -0,3% Wirtschaftswachstum ganz zu schweigen.
Aber wie passt dann diese Euphorie an den Aktienmärkten mit der Realität zusammen und wo stehen wir eigentlich im Konjunkturzyklus?
Generell hinken die Notenbankenentscheidungen der EZB denen der FED in den USA meistens hinterher. Der jetzige Notenbankchef Jerome Powell hat immer wieder erwähnt, dass das größte Risiko in einem verfrühten Zinssenkungszyklus liegt, aber auch angedeutet, dass es 2024 eventuell erste Zinssenkungen geben könnte. Genau das wurde in Europa sehr positiv aufgenommen und die Diskussionen über mögliche Zinssenkungen durch die EZB nahmen deutlich an Fahrt auf. Schließlich entsteht aber auch von allen Seiten politischer Druck, über die unschönen Zinsniveaus, mit denen die Wirtschaft zu kämpfen hat.
Aber Moment mal, hatten wir nicht eine ähnliche Situation, als die EZB 2016 die Zinsen in Europa auf Null senkte, während die US-Notenbank Zinserhöhungen durchführte, um der aufkommenden Teuerung entgegenzutreten? Es gab genau einen Grund, warum die EZB damals die Zinsen senkte: sie bekam kalte Füße. Die Angst vor einigen Unternehmensinsolvenzen war zu groß und so wurde subventioniert. Das führte aber genau dazu, dass die Kreditblase sich weiter aufblähte, Unternehmen ihre Dividenden sogar auf Pump zahlten und die Inflation erst richtig in Gang brachte.
Die Inflation ist in ihrer Erscheinung schwer einzuschätzen. Ist die Geldentwertung erst einmal da, treten Zweitrundeneffekte zeitnah auf (einerseits werden alle Preiserhöhungen auf den Verbraucher abgewälzt und in der Folge kommt es erzwungenermaßen zu Gehaltserhöhungen).
Lässt sich die Situation mit den 70ziger Jahren vergleichen?
Allem voraus ging damals eine stark boomende Wirtschaft und dann verschiedene Kriege im Nahen Osten, wodurch das Ölangebot sank und der Ölpreis deutlich anstieg. Als schließlich noch vom „Club of Rome“ bekanntgegeben wurde, dass es bald kein Öl mehr gäbe, explodierte der Ölpreis und die Inflation schnellte hoch. Damals griff die deutsche Bundesbank schnell und beherzt ein, was zu einem deutlich milderen Verlauf der Inflation und deren Folgen in Deutschland führte. In den USA und in Großbritannien reagierten die Notenbanken sehr spät und die wirtschaftlichen Auswirkungen waren massiv. Die Aktienmärkte brachen bis zu 40% in den USA und 70% in Großbritannien ein.
Damals wie heute gab es kriegerische Auseinandersetzungen und eine hohe externe Energieabhängigkeit (zumindest in Deutschland). Unterschiedlich sind jedoch die Ausgangslagen für die Inflation. Während in den 70ziger Jahren die Wirtschaft sehr stark boomte und die Zinsen erst zu spät erhöht wurden, haben wir heute die Situation, dass die Inflation auf einer massiven Verschuldung auf Staats- (inklusive Notenbanken), Unternehmens- und teilweise auch auf Privathaushaltsebene basiert (die vor allem in Europa noch eine Folge der Notenbankpolitik aus der Finanzmarktkrise ist). In Europa hatten wir seit der Finanzmarktkrise keine richtige Boomphase sondern nur eine leichte Erholung. Die Preissteigerungen entstanden durch die Kreditschwemme.
Im Idealfall geht die Inflation nun schnell wieder zurück. Doch dürfen wir nicht vergessen, dass die Zweitrundeneffekte voll im Gange sind. Und selbst, wenn die jährlichen Inflationsraten langsam sinken, ist die kumulierte Inflation seit 2021 für jeden von uns spürbar. So stiegen in Deutschland allein die Energiepreise für Verbraucher zwischen 2020 und 2022 lt. Statistischem Bundesamt um ca. 30% und bis 2024 wohl nochmals um 10%. Dass da wenig Konsumlaune aufkommt, ist klar. In den USA war das ganz anders, da eben keine Energieanhängigkeit besteht. Die Wirtschaft lief aufgrund der hohen Konsumentennachfrage sehr gut.
Und dennoch erwarten nun verschiedene Strategen von Großbanken eine Rezession statt ein „Soft Landing“ in den USA. Fest steht, das die amerikanische Notenbank erst die Zinsen senkt, wenn die Inflation nachhaltig sinkt oder wenn die Wirtschaft in einer Rezession ist.
Was heißt das nun für Anleger?
Die Inflationszahlen werden nun mit Argusaugen beobachtet werden. Die Inflation sank zwar im Januar auf 3,1% (von zuletzt 3,4%) in den USA, doch waren die Marktteilnehmer enttäuscht, da sie einen größeren Rückgang erwartet hatten. D.h., die Nervosität wird nun bei den Marktteilnehmern weiter steigen, was zu einem generellen Anstieg der Volatilität in den nächsten Monaten führen sollte.
Wird die Inflation hoch bleiben oder sogar wieder steigen (Zweitrundeneffekte), sind die Aktienmärkte zu teuer. Auch rein technisch steigt die Wahrscheinlichkeit für eine größere Korrektur immer mehr. In solchen Zeiten wird Qualität dann wieder zum „sicheren Hafen“. Aber auch bei Anleihen ist dann eine Korrektur der flachen und inversen Zinskurven überfällig, was insbesondere bei längeren Laufzeiten und je nach Kreditqualität, zu einem Anstieg der Renditen führen sollte.
Ihre
Ulrike Hock
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