Wenn wir die wirtschaftlichen Aktivitäten der USA mit denen Europas vergleichen, sehen wir einige auffällige Unterschiede. So liegt z.B. das reale Bruttoinlandsprodukt der USA in den letzten 20 Jahren jährlich ca. 1% höher als in Europa. Ein Blick auf die Top 20 Unternehmen beiderseits des Atlantiks verdeutlicht diese Diskrepanz noch mehr: Die Marktkapitalisierung der 20 größten US-Unternehmen beträgt rund 18.668 Mrd. USD, während die 20 größten europäischen Unternehmen zusammen nur auf etwa 3.815 Mrd. USD kommen. Doch woran liegt das?
Marktzugang und Kapitalbeschaffung
US-Unternehmen profitieren von einem größeren und einheitlicheren Binnenmarkt, der schnelles Wachstum und Skaleneffekte ermöglicht. Der europäische Markt ist durch nationale Grenzen und unterschiedliche Regulierungen fragmentierter, was die Skalierung erschwert. Die Kapitalbeschaffung ist in den USA ebenfalls einfacher, dank eines breiteren und tieferen Kapitalmarkts. Europäische Start-ups und Unternehmen haben oft Schwierigkeiten, ausreichend Kapital zu beschaffen, was ihr Wachstum hemmt.
Kultur und Unternehmertum
Die amerikanische Kultur fördert Unternehmertum und Innovation. Das Konzept des „American Dream“ motiviert viele, Risiken einzugehen und neue Unternehmen zu gründen. Scheitern wird in den USA oft als Teil des Lernprozesses angesehen, während es in Europa stigmatisiert wird. In den USA gibt es eine stärkere Mentalität der schnellen Umsetzung von Ideen und einer hohen Risikobereitschaft, während europäische Unternehmen oft vorsichtiger und zögerlicher sind, was die Marktdynamik verlangsamt.
Industriestruktur und Innovation
Die USA dominieren in hochinnovativen Branchen wie Technologie und Biotechnologie, die besonders von Skaleneffekten und schnellen Innovationszyklen profitieren. In Europa liegt der industrielle Schwerpunkt stärker auf traditionelleren Branchen wie Automobil und Chemie.
Investorenverhalten und Marktstruktur
US-Investoren sind oft bereit, höhere Bewertungen für Unternehmen in Wachstumssektoren zu zahlen, was zu mehr Kapital für Expansion führt. Ein größerer Anteil der amerikanischen Bevölkerung investiert in den Aktienmarkt, während in Europa das Kapital eher in Immobilien und andere weniger liquide Anlagen fließt.
Unterschiede in Regulierung und Steuerpolitik
In den USA gibt es branchenspezifische Regulierungen, die oft flexibler und unternehmensfreundlicher sind. Dies steht im Gegensatz zu Europa, wo umfassendere und strengere Vorschriften wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) herrschen, die allgemein als belastend für Unternehmen angesehen werden. In den USA wurden die Unternehmenssteuern mit der Steuerreform von 2017 erheblich gesenkt. In Europa hingegen sind die Steuersätze höher und variieren stark zwischen den Ländern, was die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt.
Wie kann sich die Situation für europäische Unternehmen ändern?
- Regulatorische Reformen und Flexibilität: Die Vereinfachung und Harmonisierung der Vorschriften in der EU (wie z.B. die Covered Bonds Harmonisierung) und ein flexiblerer, branchenspezifischer Regulierungsansatz, ähnlich wie in den USA, wären förderlich.
- Förderung des Unternehmertums: Schaffung einer Unternehmenskultur und die Reduzierung des Scheiterns als Stigma. Programme zum Feiern unternehmerischen Erfolgs, Mentoring und Netzwerkmöglichkeiten für Start-ups sind entscheidend für das Wachstum.
- Verbesserter Zugang zu Kapital: Europäische Start-ups benötigen besseren Zugang zu Risikokapital und Finanzierungen.
- Förderung von Innovation und Technologie: Erhöhte Investitionen in Forschung und Entwicklung, um Innovationen voranzutreiben.
- Marktintegration und Expansion: Der Abbau von Handelsbarrieren innerhalb der EU und die Unterstützung der grenzüberschreitenden Expansion erleichtern das Wachstum.
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Ulrike Hock
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