Februar 6

The German Angst

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Obwohl das Jahr noch jung ist, könnte einem dieser Tage das Gefühl überkommen von „nix geht mehr“. Steht denn die Welt auf dem Kopf? Nach 3 Jahren mit Corona, der Entstehung neuer Kriegsschauplätze, Massenprotesten aus verschiedensten Gründen, politischen Herausforderungen und unvorstellbaren Preiserhöhungen für Waren und Dinge, die man täglich benötigt oder auch nicht, beschleicht den einen oder anderen, neben Ärger, nun auch immer mehr dieses ureigenste Gefühl von Angst.

Ein ehemaliger amerikanischer Kollege sagte einmal zu mir:“ Ihr mit eurer German Angst!“ und schüttelte den Kopf. Recht hat er!

Statt, dass wir uns auf die Lösung von Problemen konzentrieren, lassen wir uns unbewusst von irgendeinem negativen Mindstream mitreißen und geben ihm so Platz sich in uns auszubreiten. Nach Angst folgt meistens Panik, wenn man noch im Energiemodus ist, oder eine Lähmung. Beides bringt niemanden zur Lösung. Die finden wir nur in der eigenen Übernahme von Verantwortung.

Eines der Themen, dass mich seit November letzten Jahres ärgert, ist die politische Kompromisslösung der EU-Kommission, die Zulassung des umstrittenen Pestizids Glyphosat nun doch um 10 Jahre zu verlängern (Entscheidung vom November 2023). Die Angst, hier eine ehrliche Entscheidung gegen die Wirtschaftlichkeit von nicht-biologischen Landwirtschaftsbetrieben und dem Hersteller zu treffen, erschien hier doch sehr groß und wurde ausgerechnet durch ein „Enthalten“ von Deutschland unterstützt, obwohl im Koalitionsvertrag steht, Glyphosat nicht mehr weiter zuzulassen (doch ein Gericht in Luxemburg entschied wohl dagegen, lt. Frankfurter Rundschau vom 13.10.23). Noch im Oktober 2023 ging man von einer Ablehnung für Glyphosat von Seiten der EU aus. Dieses seit Jahrzehnten umstrittene Totalherbizid, steht vor allem unter dem Verdacht, besonders krebserregend zu sein. Doch nun gibt es ebenso Studien, die wohl das Gegenteil beweisen. Seitdem Bayer 2016 ankündigte Monsanto für 63 Milliarden Dollar (!) zu übernehmen, handelte es sich gleichzeitig milliardenhohe Rückstellungen und Abschreibungen für Schadensersatzansprüche wegen Glyphosat in den USA ein, die bis heute nicht abgeschlossen sind. Wirtschaftlich war der Kaufpreis deutlich zu hoch und die Ertragserwartung viel zu positiv.

Und die EU? Auf der Internetseite des Europäischen Rats der Europäischen Union (https://www.consilium.europa.eu/de/policies/biodiversity/) steht zum Thema EU-Biodiversitätsstrategie u.a.:

  • „Die Mitgliedstaaten sind zutiefst besorgt über den weltweiten Verlust an biologischer Vielfalt und sind sich bewusst, dass die Bemühungen intensiviert werden müssen,…“
  •  „…dringender Handlungsbedarf…“ (23.10.2020)

Das steht absolut im Widerspruch zur Genehmigung im November und ist meines Erachtens eine absolute politische Fehlentscheidung.

Psychologisch gesehen führen Ängste (z.B. die Angst vor Kritik) zu Unentschlossenheit, Zögern und Zweifeln und Kompromissen. Man widmet sich gern anderen Baustellen, um sich abzulenken und sich nicht bei der Aufschieberei ertappen zu lassen. Um Ängsten entgegenzutreten, hilft nur eins, sich dem Thema zu stellen.

Einen Schluss-Strich kann Bayer mit den vielen offenen Rechtsstreitigkeiten noch nicht ziehen (lt. FAZ vom 26.11.23), da es noch viele offene Rechtsstreitigkeiten gibt. Die Frage ist, wieviel Rückstellungen der Konzern noch bilden muss. Auf Seiten der Politik ist der Preis für dieses Hin und Her (EU und Deutschland) ebenfalls hoch, denn diese uneinheitliche Vorgehensweise innerhalb nur weniger Jahre, führt letztlich zu noch mehr Politikverdrossenheit. Mit einer klaren Haltung würde man andererseits vor allem Unternehmen mehr Planungssicherheit geben und damit unterstützen.

Was heißt das nun für Anleger?

Eines der wichtigsten Investitionsthemen der Zukunft, die Nachhaltigkeit, hat mit dieser Entscheidung einen heftigen Kratzer hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit in Europa erhalten.

Es besteht nicht nur die Frage, wie die ESG-Agenturen diesen Kompromiss in ihren Analysen für Unternehmen und Staaten umsetzen (ich schätze „Environment“ und „Governance“ werden im Qualitätsscore sinken), sondern auch, wie stark Anleger sich mit ihrem Wunsch, nachhaltig zu investieren, auch ernst genommen fühlen können? Denn es steht nicht nur außer Frage, dass sich die Boden- und Wasserqualität sowie die Artenvielfalt weiter verschlechtern werden, sondern vor allem die Qualität von Nahrungsmitteln sinkt und damit die Gesundheitskosten strategisch weiter steigen werden.

Ihre Ulrike Hock

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